Lieber Leserinnen, liebe Leser,
in diesem Monat erwartet euch ein etwas anderer Newsletter. Wie einige von euch sicher schon wissen, gönnt sich der gute John dieser Tage einen wohlverdienten Urlaub. Damit aber trotzdem eine frische Ausgabe spielenswert bei euch im Postfach landet, hat er mich als Vertretung an Bord geholt. Mein Name ist Roberto, aber im Netz kennen mich die meisten als @Polygonien. Bei der Umsetzung hat man mir freie Hand gelassen und das habe ich natürlich schamlos ausgenutzt. Ich hoffe, unter den folgenden Tipps und Geschichten ist etwas Interessantes für euch dabei und wünsche euch noch einen entspannten Sommer sowie eine tolle Gamescom, falls ihr sie besucht. Im September erwartet euch an dieser Stelle dann wieder John mit dem gewohnten spielenswert-Mix.
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Games Convention vs. Gamescom
In Deutschland ist der August traditionell der Gamescom-Monat. In Sachen Blockbuster-Veröffentlichung herrscht in dieser Zeit für gewöhnlich ohnehin das Sommerloch und so konzentriert sich alle Aufmerksamkeit auf das große Event in Köln. Durch die Pandemie musste die größte Spielemesse der Welt bekanntlich zwei Jahre pausieren, doch bei gut einer Viertelmillion Besucher*innen im letzten Jahr sprach man offiziell von einem geglückten Neustart. Für dieses Jahr erhoffen sich die Veranstalter aber sicher mehr, denn 2019 lockte man noch die Rekordzahl von 373.000 Menschen in die Hallen. Ob man an diese Erfolge nun tatsächlich wieder anknüpfen kann, ist fraglich. Einerseits ist man seit dem Wegfall der E3 nun der alleinige Platzhirsch und Corona scheint aus den Köpfen der allermeisten Menschen verschwunden zu sein. Andererseits ist die Liste der Aussteller recht dünn und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass auf der Messe große Neuentwicklungen enthüllt oder gar anspielbar sein werden. So bringt Nintendo beispielsweise weder das kommende Super Mario Bros. Wonder (20.10.) noch Super Mario RPG (17.11.) mit. Branchen-Riesen wie Sony, THQ-Nordic oder Electronic Arts bleiben der Messe sogar ganz fern. Die PR-Maschinerie setzt inzwischen meist lieber auf eigene Online-Formate wie z.B. das Summer Game Fest. Obendrein gab es auf der letzten Gamescom auch noch handfeste Skandale, die so manchen Besucher*innen die Messe vermiest haben. So zog etwa der Rüpel-Streamer Montana Black mit seiner asozialen Meute von Fans über das Messegelände. Dabei wurden zahlreiche Leute angepöbelt, umgerannt und teilweise sogar verletzt. Selbst die Security konnte nur hilflos zuschauen, wie Stände vom Tross des Proll-Königs gestürmt wurden. Die Gamescom-Leitung verurteilte zwar die Vorfälle und gelobte Besserung, aber so oder so entwickelt sich die Messe mehr und mehr zu einem Schaulaufen für Influencer und Streamer, während die Spiele zunehmend in den Hintergrund rücken.
Da tut es vielleicht ganz gut, mal einen nostalgischen Blick zurück auf eine Zeit zu werfen, als die Gamescom noch Games Convention hieß und ein gemütliches Event in Leipzig war. Dazu empfehle ich euch zum einen die Artikel-Reihe von VSG-Betreiber André, der euch jeweils in einem separaten Beitrag über die Messen von 2005 bis 2008 führt und dabei nicht nur in Erinnerungen schwelgt, sondern auch jede Menge Fotos präsentiert. Zum anderen hat sich Sylvio bei Spielkritik ausführlich mit interessanten Nebenaspekten der Games Convention beschäftigt. So gab es damals große Eröffnungskonzerte und 2008 im Rahmen der GC Art-Ausstellung auch einen längst vergessenen Kunstskandal. Und wenn ihr dann noch nicht genug habt, könnt ihr euch auch noch Sylvios Foto-Retrospektive geben.
Vom Rüstungskonzern über Daytona USA zum Urvater von Intels ARC-GPUs
Vor ziemlich genau 30 Jahren, also im August 1993, präsentierte SEGA auf der Tokyoter Arcade-Messe Amusement Machine Show erstmals einen Prototypen des legendären Arcade-Racers Daytona USA. Noch im selben Monat gab es erste Tests in ausgewählten Spielhallen des Landes, ehe es im Frühling 1994 schließlich Arcade-Fans rund um den Globus in seinen Bann zog. SEGA wollte mit dem Spiel nicht zuletzt dem großen Konkurrenten Namco etwas entgegensetzen, der zur gleichen Zeit mit Ridge Racer das vielleicht heißeste Arcade-Eisen im Feuer hatte.
Für die Entwicklung des Klassikers waren damals zwei echte SEGA-Ikonen hauptverantwortlich: zum einen Yu Suzuki (u.a. Virtua Fighter-Serie, Shenmue-Serie) und zum anderen Toshihiro Nagoshi (u.a. Yakuza-Serie, Monkey Ball-Serie). Das Spiel wurde ein großer Hit für SEGA und es folgten Ableger für Saturn und Dreamcast. Es war außerdem das erste Spiel, das auf SEGAs neue Arcade-Hardware Model 2 setzte. Ein bahnbrechendes Stück Technik, das die Grundlage für viele weitere Hits bildete und für den Sprung ins 3D-Zeitalter von entscheidender Bedeutung war. Zumindest für die älteren unter euch dürfte die Geschichte bis hierhin vermutlich bekannt sein. Was aber wohl selbst für viele Retro-Fans unbekannt sein dürfte, ist die erstaunliche Entstehungsgeschichte dahinter.
Das Model 2 und damit auch Daytona USA gehen nämlich auf Technologie zurück, die beim amerikanischen Rüstungskonzern GE Aerospace für militärische Zwecke entwickelt wurde. Ende der 80er versuchte der Konzern jedoch, seine Grafik-Technik auch im zivilen Sektor zu Geld zu machen. In diesem Bestreben kam man 1990 schließlich auch mit SEGA ins Gespräch, die zu diesem Zeitpunkt noch mitten in der Entwicklung ihrer Model 1-Hardware (Virtua Racing & Virtua Fighter) steckten. GE Aerospace hatte damals seinen Hauptsitz in Daytona Beach. Und als man überlegte, wie man potentiellen Käufern sein Produkt präsentieren könnte, kam man daher auf die Idee, den dortigen Daytona Speedway für eine Tech-Demo nachzubauen. Als die Verantwortlichen bei SEGA das sahen, war ihnen sofort klar, dass ihnen diese Technik einen entscheidenden Vorteil im hart umkämpften Arcade-Markt bringen könnte. GE Aerospace wurde wenige Jahre später Teil von Lockheed Martin, einem Megakonzern, der vor allem als Technologie-Partner der US Armee berüchtigt ist und u.a. Kampfjets wie die F-16 und F-22 gebaut hat. Lockheed nahm anschließend einen Großteil der Belegschaft und formte damit eine neue Firma namens Real3D, die sich ausschließlich auf den Entertainment-Sektor konzentrieren sollte. Dort entstanden in den Folgejahren nicht nur die Grafikchips für SEGAs Model 3 Arcade-Hardware, sondern auch noch die PC-Grafikkarte i740, auch Starfighter genannt, die man gemeinsam mit Intel entwickelte.
Um den Rahmen hier nicht zu sprengen, kratzt mein Text quasi nur an der Oberfläche und es ist noch längst nicht alles, was es zu GE Aerospace zu erzählen gibt. Die ganze verrückte Geschichte, garniert mit Fotos und Kommentaren von den Menschen, die damals dabei waren, könnt ihr in einem wunderbaren Artikel von Adam Ismail bei Jalopnik nachlesen.
Von wegen Sommerloch
Wer auch Abseits der großen Blockbuster spielt, der wird auch jetzt im August vom Sommerloch gar nicht so viel zu spüren bekommen. Zum Abschluss habe ich daher noch ein Quartett von interessanten Neuerscheinungen herausgesucht, die euch nicht nur so manch verregneten Sommertag retten könnten. Sofern ihr nicht schon längst in einem Rabbit Hole namens Baldur’s Gate 3 verschwunden seid.
WrestleQuest (PC, PS4, PS5, Switch, Xbox Series, Netflix | 8. August)
Zugegeben, mit Wrestling konnte ich nie viel anfangen, aber diese ungewöhnliche Variante könnte sogar mich mal in den Ring locken. In hübscher Pixel-Art vollführt man nicht nur Powerbombs und Body-Slams, sondern kämpft sich durch ein richtiges Action-RPG.
https://www.wrestlequest.com/de | Trailer
Shadow Gambit: The Cursed Crew (PC, PS5, Xbox Series | 17. August)
Das neue Spiel vom deutschen Studio Mimimi Games, die mit Shadow Tactics: Blades of the Shogun 2016 einen Überraschungs-Hit landeten und mal eben im Alleingang die Nische der Taktik-Schleicher à la Commandos wiederbelebten. Shadow Gambit soll eine clevere Neuinterpretation der bekannten Formel werden. Das Piraten-Setting und übernatürliche Elemente dürften für frischen Wind sorgen.
https://www.shadowgambit.com/ | Trailer
Bomb Rush Cyberfunk (PC, Switch am 18.08. | PS4, PS5, Xbox One & Series am 01.09.)
Wenn SEGA kein neues Jet Set Radio macht, dann machen wir das eben selbst! So oder so ähnlich muss das Meeting bei Team Reptile geklungen haben, als sie mit der Entwicklung von Bomb Rush Cyberfunk anfingen. Ein funky Loveletter an alle Fans der kultigen Skate-Action-Reihe. Untermalt von einem fetzigen Soundtrack springt, grindet und sprayed ihr mit Skateboard, Inline Skates oder BMX durch die knallbunten Straßen von New Amsterdam.
https://team-reptile.com/games/ | Trailer
Fort Solis (PC, Mac, PS5 am 22. August)
Wenn man sich die Trailer anschaut, mag man kaum glauben, dass das stimmungsvolle Fort Solis nicht von einem großen Studio stammt. Dass es so umwerfend aussieht, ist dem Team sicher auch deswegen gelungen, weil das Spiel kleiner und weitaus linearer ist als die „echten“ Sci-Fi-Blockbuster. Auf Kämpfe und Schleich-Passagen verzichtet man sogar komplett, denn man sieht das düstere Mars-Abenteuer eher in der Tradition von Firewatch oder Until Dawn und weit weg von Dead Space oder dergleichen.
Als Casual Gamerin geht die Gamescom und vor allem die ganzen Influencer total an mir vorbei. Ist aber schon schlimm, was da abgegangen ist.
Alex und Toni wollten ja eigentlich hinfahren, aber man hat sie nicht akkreditiert. Sind wohl nicht influencerisch genug für Köln. Vielleicht, muss man da erst pöpelnd durch die Hallen für ziehen?
Da sie so nicht am Medientag rein dürfen und auch keinen Zugang zum Business Bereich bekommen (trotz Einladung von einigen Firmen) bleiben sie zu Hause. Ist auch besser, denn die Bahn fährt da sowieso nicht hin, Oh, und Helene Fischer!! Vielleicht umfährt ja deswegen die Bahn Köln weiträumig!?
Ach so, was ich eigentlich sagen wollte: tolle Ausgabe und sehr würdige Vertretung. Wenn es nach mir gehen würde, dürftest Du ruhig öfter die Feder schwingen.